Scherben bringen Glück
Für Hasso Damm und „Tante Cilli“
(Anm.: »Scherben« nennt man den Porzellan-Rohling nach dem »Schrühbrand«
Da sitze ich nun also in Ulm, in einem kleinen Atelier-Café namens Animo! und sinniere, wie ich mich entscheiden soll – Ach so, ich sollte vielleicht kurz erwähnen, um was es geht: ich plane neue Beleuchtungen für die Küche. Und, weil Mann schon einmal dabei ist, auch für den Flur, das Wohnzimmer, Töchterleins Zimmer, das Bad – ach, einfach gleich für das ganze Haus. Man kennt sowas ja.
Seit ich vor kurzem im Fernsehen einen Bericht über Lampenschirme aus Porzellan gesehen habe, gehen mir diese filigranen Kunstwerke nicht mehr aus dem Kopf. Solche würden sich prima über der Theke in der Küche machen. Allerdings sind da die sicher nicht unerheblichen Kosten –
„Wann hast du eigentlich vor, die Baulampen endlich gegen richtige auszutauschen?“, schreckte mich heute die beste aller Ehefrauen aus meinen Tagträumen. Klang wie eine Frage, aber der kaum verhohlene Vorwurf war selbst für Menschen mit Testosteron-Hintergrund deutlich erkennbar. Die Domestizierten unter den Lesern werden wissen, wovon ich spreche.
Seit Wochen gehe ich in eigentümlicher Haltung durch die Räume, den Kopf ständig in die Höhe gestreckt und überlege dabei, wo man welche Lampen und Leuchten anbringen sollte. Weil der mir innewohnende, ambitionierte, in punkto Licht-Architektur aber weitgehend unbeleckte Hobby-Designer ständig neue Ideen entwickelt und umgehend wieder verwirft, trete ich bei der Umsetzung zugegebenermaßen auf der Stelle.
Insofern ist der leise Hinweis auf meine unzureichende Termintreue nicht völlig unberechtigt. Es muss endlich etwas geschehen. Immerhin bekommen wir in 14 Tagen Besuch und dann sollen zumindest Küche und Esszimmer in neuem Glanze erstrahlen!
Kurz entschlossen habe ich mir darum heute das Auto geschnappt und bin knappe 70 Kilometer nach Ulm gefahren. Frau selber hatte wieder mal keine Zeit für sowas, aber für sie ist das so schlimm nicht: „Du kennst ja meinen Geschmack“.
Typisch! Und ich darf mir dann hinterher den Kopf darüber zerbrechen, wie der im konkreten Fall wohl aussehen mag!
Zurück in das Café, welches gleichzeitig die Werkstatt für die Porzellanleuchten beherbergt: vor mir steht eine Batterie von kleinen Kunstwerken – und ich habe nicht die kleinste Eingebung, welche von diesen Unikaten meiner Daheimgebliebenen wohl am bestem gefallen würden. Geschweige denn, ob sie überhaupt Gnade vor ihren kritischen Augen finden würden.
Bevorzugt sie mehrere kleine oder lieber eine große? Viereckige, zylindrische oder tonnenförmige? Ich fühle mich wie ein Pennäler vor der Schultafel: keine Ahnung, nicht die geringste Idee!
Und als ich mich nach einer Stunde endlich für die Grundform entschieden habe (die, die so aussieht wie ein umgestülptes Sektglas) wird es erst richtig schwierig: es gibt rötlich angehauchte Schirme, orangefarbene und cremeweiße; bleu schimmernde oder andere in zartem Mint. Solche mit Blumenornamenten oder Streifenmustern; welche mit Ringen oder Tupfen, mit Löchern zum Durchscheinen versehene und und und …
Nach einer weiteren, quälend langen Stunde geben ich und meine Entscheidungsunlust den Kampf auf: schnick, schnack, schnuck – die da!
„Da haben sie aber Glück, das sind meine letzten zwei Exemplare!“, teilt mir der sichtlich erleichterte Künstler mit. Immerhin hat er mich in meinem zähen Ringen um die beste Wahl bis zur mentalen Erschöpfung unterstützt. Oder sollte ich sagen: ertragen!
„Und was kosten die jetzt?“, frage ich bange. Er nennt mir einen Preis, der meine Vorstellungen und unser Budget zwar überschreitet, aber dann: wozu ist Geld da, wenn nicht dazu, sich mit schönen Dingen zu umgeben!
Der Daheimgebliebenen werde ich einfach vorflunkern, ich hätte die Dinger günstig beim Schwedenmarkt gekriegt. Ich habe sogar schon einen Namen: Snoerk! Was immer das heißen kann, da lass Frauchen man ruhig gugeln!
Außerdem hat das Ganze einen spaßigen Nebenaspekt: ich freue mich schon jetzt diebisch darauf, wie sie später Bewunderern der Designerlampen von meinem Schnäppchen aus dem Nordlicht-Discount vorschwärmen wird. Und wie dann einige von denen vergeblich versuchen werden, die dort zu bekommen – ha!
Den ganzen Weg zurück bekomme ich dieses dämliche Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht. Zweifellos werde ich mich noch in zwei Wochen daran erfreuen können, wenn das Foto aus einem Ulmer Starenkasten bei uns zuhause eintrudeln wird.
Egal, meine Laune bleibt ungetrübt. Schließlich werden mir meine Schätze, die wohlverwahrt auf dem Rücksitz lagern, die uneingeschränkte Bewunderung meiner Angetrauten verschaffen.
Zuhause angekommen, präsentiere ich der holden Maid meine Beute. „Hier! Von Ikea! Und gekostet haben die gerade mal 20 Euro. Zusammen!“ Sie sehen toll aus, findet die, einfach fantastisch. Und so günstig! Unglaublich! Da solle noch mal einer über Billig-Skandinavier schimpfen! Hoch befriedigt stelle ich den Karton mit den Edelleuchten erst einmal in den Abstellraum.
Zwei Tage später eröffnet mir mein Schatz beim Frühstück, dass wir an diesem Morgen nochmal zum Schwedenmöbler fahren müssen.
„Äh, wieso?“, wage ich zaghaft einzuwenden. „Eigentlich wollte ich heute doch die Lampen montieren!“
„Genau deshalb müssen wir vorher zum Einkaufen. Lampen besorgen.“
„Nochmal: wieso?“
„Weil ich unsere Lampen gestern Birgit mitgegeben habe. Der haben sie irre gut gefallen und sie hat momentan einfach keine Zeit zum Einkaufen. Und jetzt mach schon, sonst hängen die Lampen heute abend immer noch nicht!“ –
Der Rest des Textes wurde auf Anraten des Ehe-Mediators zensiert.
Und hier gibt es die Lichtwerke!