Abnehmen ist nichts für Feiglinge
Es begab sich nun zu der Zeit, als der Mai gekommen und die linden Lüfte Gefühle keimen ließen …
Vorgeschichte: Meine Frau verwies wieder mal darauf, dass … –
Halt, an dieser Stelle muss ich kurz etwas einflechten! Bedenkenträger könnten mir hier chauvinistische Besitzansprüche wegen der Verwendung des Possesivpronomens „meine“ in Verbindung mit Frau unterstellen. Nicht zur Rechtfertigung, sondern zur Erläuterung verweise ich darauf, dass ich vor Jahren ein Ehegelübde gegenüber einer weiblichen Person abgelegt habe. Damit meine ich nicht die standesamtliche Vollzugsbeamtin, sondern die Frau, die seither ständig an meiner Seite steht. Man (und frau) beachte: an, nicht auf – sie hat immer noch einen eigenen Kopf. Lediglich ihren angestammten guten Namen hat sie damals auf dem Altar des Ehestands geopfert. Da war es gut, dass ich noch meinen hatte und seither teilen wir uns den. Einträchtig. Klappt ganz gut. Aber sie hat immer noch ihre ureigene Persönlichkeit und ihren selbstbestimmten Körper. Aber entgegen allen zeitgeistlichen Strömungen und dem Diktat der Gleichmacher bezeichnet sie sich immer und überall und durchaus mit emanzipatorischem Kämpferherz als „meine“ Frau, einschließlich der daraus resultierenden Besitzansprüche gegen meine Person, wenn sie mich anderen Personen vorstellt: “ … und das ist mein Mann!“ – mit besonderer Betonung auf „mein“ und weniger auf „Mann“. Is‘ so, kannze nix machen.. Der Einfachheit halber habe ich diese Gepflogenheit darum übernommen und nicht ohne Stolz, dass sie „meine“ Frau ist – in guten und in schlechten Zeitem!
Ich fange noch einmal an: „Meine“ Frau unterstrich wieder einmal nachdrücklich ihren bislang unerfüllten Wunsch nach Six-Packs im Schlafzimmer! Gewöhnlich überhöre ich derlei Kritik an meinem Körperbau geflissentlich. Dieses Mal jedoch ließ ich den Macho in mir Gassi gehen und erklärte mich grinsend dazu bereit, im Ehegemach umgehend einen Dosenbiervorrat anzulegen.
Heike schmunzelte zwar, aber ebenso umgehend versiegelte sie ihren Körper mittels der Bettdecke straff und sicher wie die alten Ägypter ihre Mumien. Selbst der Hinweis, mein Body verfüge schließlich sogar über Twelve-Packs, also Double-Sixpacks, half mir nicht weiter: Ehestreik! Hat sich was mit „Frauen lieben humorvolle Männer“. Pah!
Und so schlucke ich seit über einer Woche morgens, mittags, abends eine undefinierbare Pampe (Anmerkung des Verdauers: angeblich zur Darmreinigung), die lau Beipackversprechen aus wertvollen Bio-Nahrungsmitteln hergestellt wurde. Hinsichtlich des tatsächlichen Ursprungs hege ich allerdings Zweifel. Mit dem herstellerseitig beigelegten Shaker, augenscheinlich einer Resterampe entrissen, verwandle ich also einen halben Liter reinstes Trinkwasser in einen dubiosen Sud, der optisch stark einem Aufguss aus Sägemehl ähnelt. Geschmacklich wohl auch, zumindest vermute ich das wegen des starken Geruchs nach Holzspänen. Getestet habe ich es nicht – einerseits ist gerade kein Holzmehl zur Hand, anderseits hat auch meine Leidensfähigkeit Grenzen.
Schon beim ersten „Schäkern“ hebt der Deckel ab wie eine Silvesterrakete! Explosionsartig verteilt sich die Pampe in der Küche. Ich benutze sie letztlich, um endlich einige Wandlöcher zu verschließen, deren Verfüllung bereits seit geraumer Zeit anstand. Wie sagte doch einst der pragmatische Lageleiter im Kontrollzentrum bei Apollo 13: „Es ist mir egal, wozu etwas konstruiert wurde – ich will wissen, was es kann!“ Trotzdem bin ich ein wenig davon beunruhigt, dass eine vom Bio-Duft angelockte Fliege ihren Landeanflug nicht nur abbricht, sondern jählings abdreht und mit Nachbrennerschub davonsurrt.
Aber was weiß so ein Schmarotzer schon von Raumfahrt und gesunder Ernährung! Also rühre ich einen neuen Trank an. Riecht allerdings schon etwas suspekt, der Sud. Aber Angst … ha! Mucius Scaevola drohte man einst, ihn den Flammen zu überantworten und was tat er – er tauchte seine rechte Hand in ein glühendes Kohlebecken und verzog dabei keine Miene. Nicht ein Laut des Schmerzes kam über seine Lippen! Wie einst Scaevola, so heute ich! Oder Sokrates – schicksalsergeben wie einst er leere ich den mir zugedachten Schierlingsbecher in einem Zug! Große Männer wissen mit Haltung abzutreten!
Ich warte auf den nun unvermeidlich einsetzenden Todeskampf und überlege in der Zwischenzeit überlieferungswerte letzte Worte. Im Zimmer ist es nicht so dunkel, dass ein gehauchtes „Mehr Licht!“ Sinn ergeben würden. Außerdem glaube ich, dass dieser Spruch bereits mit einem Copyright besetzt ist. Ich glaube, es war Goethe. Wäre ich Scaevola, würde ich jetzt meine Faust darauf verwetten. „Lasst mich zurück und rettet euch!“ ist leider auch schon besetzt. Also mache ich einfach nur ein gottergebenes Gesicht und stöhne tapfer: „Macht euch keinen Kummer, es tut gar nicht weh!“ Merke aber bald, dass außer der Fliege keiner meinen stillen Todeskampf verfolgt. Ruchlose Bande! Stellen mir einfach dieses Zeug hin und keinen interessiert’s, ob ich es überlebe.
Ich entdecke einen Zettel, den Heike mir geschrieben hat: „Denke bitte auch an die Tabletten, sonst nutzt das Ganze nichts!“ – Aha, offensichtlich handelt es sich um ein Komponenten-Gift. Das eine wirkt erst in Verbindung mit dem anderen toxisch. Zusätzlich zu der Plörre muss ich täglich auch noch zirka 30 Kompretten der verschiedensten Couleur schlucken. In meiner Vorstellung hat meine Speiseröhre inzwischen Ähnlichkeit mit einem Tablettenröhrchen. Ich mache mir gar nicht erst die Mühe herauszufinden, wozu die Pillen gut sein sollen. Erstens ist der Beipackzettel so lang wie eine Klorolle und zweitens hat meine Frau vor Wochen die gleichen Pillen geschluckt – und überlebt. Insofern haben die Statistiker recht: das Institut der Ehe wirkt für verheiratete Männer lebensverlängernd! Tee trinken und abwarten – watch first, die second!
Zwei Stunden später (und ab dann alle 10 Minuten) hocke ich mit Gebärschmerzen auf dem gewissen Örtchen. „War bei mir auch so“, tröstet mich meine schlankere Hälfte zwischen zwei Presswehen. Wer jemals Magengrimmen mit Leibwindstärken um die 10 durchlitten hat, weiß wovon ich spreche.
Ich schlage hiermit vor, dieses Zeug zukünftig werdenden Öko-Vätern in deren geburtsvorbereitenden Solidaritätskursen zu verabreichen. Dann können diese männlichen Wehenversteher mal unter Realbedingungen mutige Sprüche trainieren wie „Nein danke, ›wir‹ möchten eine naturbelassene Geburt ohne Schmerzmedikamente!“
Fortsetzung folgt 😉