Hotlines
Seiltanze wieder einmal auf einem sprachgesteuerten, dreimal vermaledeiten ‚Heißen Draht‘: »Hallo! Schön, dass Sie wegen eines unlösbaren Problems anrufen und sich Rat von unseren unmotivierten Mitarbeitern erhoffen!«
Während ich mich durch die Fragen wie bei »1, 2 oder 3, du musst dich entscheiden!« hangle und allmählich rammdösig werde – »Entschuldigung, das habe ich jetzt nicht verstanden!« –, machen sich meine Gedanken selbstständig: Ob dieser Telefonterror irgendwann einmal ein Ende hat? Was, wenn die Komödie hier unten vorüber ist und meine Seele nicht weiß, wohin? Wie könnte das ablaufen, in einer hoffentlich sehr fernen Zukunft – – –
»Hallo und willkommen bei Ihrem spirituellen Provider. Ich bin Ihr persönlicher Lotse und führe Sie in Ihre individuelle Unendlichkeit!«
Aha! Hier herrscht wohl auch Kostendruck. An wen haben die denn outgesourced? Luzifer?
»Dieses Gespräch kann zu Trainingszwecken aufgezeichnet werden. Außerdem erklären Sie sich einverstanden, dass Sie zu konfessionellen Werbezwecken kontaktiert werden dürfen!«
Um Himmels Willen, verratet meine Daten bitte nicht an diese Haustür-Gang ‚Testikel Yodas‘, sorry, die ‚Zeugen Jehovas‘ – möge die Ohnmacht mit ihnen sein! In ewiger Ruhe mich sie lassen!
»Wenn Sie Mosaischen Glaubens sind, sagen Sie ‚Jeho…‘ – hups, jetzt wäre mir fast der Name des Unaussprechlichen rausgerutscht! Wissen Sie was: sagen Sie einfach ‚Jacko‘!
Gehören Sie der Fraktion um Mohammed an, sagen Sie ‚Is-lahm‘.
Bevorzugen Sie fettleibige Religionsstifter, sagen Sie ‚Budder‘.
Sind Sie ein ‚Drei-in-Einem’-Fan, sagen Sie ‚Jesus‘.
Wenn Sie Ihren Namen klatschen und tanzen können, sagen Sie ‚Waldgeist‘.
Können Sie sich nicht entscheiden, sagen Sie ‚Berat…’«
»Jesses, Maria und Josef!«
»Okay, das habe ich verstanden. Sie sagten ‚Jesus‘!
Haben Sie … gewisse Neigungen, sagen Sie jetzt bitte – Entschuldigung, dass war ein kleiner Scherz von mir, den bringe ich immer an dieser Stelle *zwinker*. Aber jetzt im Ernst:
Für Römisch-Katharsis, sagen Sie ‚Vaticlan‘.
Sind Sie griechisch-orthopädisch, sagen Sie ‚Petropoulos‘.
Russki-Katholski sagen bitte ‚Putin‘.
Möchten Sie vorher beichten, sagen Sie ‚Lusche‘.
Sind Sie Abtrünniger, sagen Sie bitte ‚Luther‘.
Wenn Sie … «
»LUTHER!«
Es knackt in der Leitung.
»Mit wem spreche ich?«
»Wer will das wissen?«
»Der Heilige Apostolische Stuhl in Rom!«
»Ich verstehe, der Apostolische Stuhl, Rom, stimmt’s? Nicht IKEA, Schweden? Was soll ich denn mit einem Apostel-Stuhl? Ich bin ausreichend möbliert, danke der Nachfrage.«
»Äh, nein! Das haben Sie falsch verstanden. Es geht um Ihren christlichen Glauben! Haben Sie sich schon mal Gedanken über einen Glaubens-Providerwechsel gemacht? Wir haben da ein Last-Minit-Angebot für Konvertiten.«
»Zukünftige.«
»Wie meinen?«
»Zukünftige Konvertiten. Ein Konvertit ist jemand, der den Religionswechsel bereits vollzogen hat, und wir verhandeln doch wohl noch, oder!?«
»Äh, ja … genau!«
»Wissen Sie, im Äther schließe ich prinzipiell keine langfristigen Verträge ab. Können Sie mir nicht ein schriftliches Angebot machen?«
»Das darf ich leider nicht, Sie könnten damit ja zu einem unserer Bestandskunden gehen und der kriegt diese Vergünstigungen natürlich nicht!«
»Okay – und welche Vergünstigungen wären das? Dispens vom Hosianna-Singen oder All-You-Can-Eat während der Fastenzeit?«, versuche ich, den Missionsknecht aus der Reserve zu locken. Mal sehen, wie lange er das durchhält.
»Neiiin, ich spreche vom Ablass aller Sünden! Machen Sie sich denn überhaupt keine Gedanken, was jetzt mit Ihrer Seele geschieht?«
Mittlerweile macht mir die Sache Spaß. Legen wir also noch ein paar Scheite nach ins Fegefeuer. »Nö«, entgegnet ich mit stoischer Gelassenheit, »ich hab ’nen Seelen-Spenderausweis.« Nur mühsam kann ich danach ein diabolisches Glucksen unterdrücken.
»Äh, wie?«
Ich habe das bestimmte Gefühl, dass es den guten Kerl jetzt aus der Kurve trägt. Im Hintergrund hört man laute Stimmen und Satzfetzen wie »total unfähig« und »muss ich denn alles selber machen«.
»Grüß Gott, mein Sohn, ich bin es jetzt selber.«
»Der Ratzinger-Benedikt – bist du das jetzt wirklich selber?«
»Mein Sohn, dies ist eine ungesicherte Leitung und ich darf das darum nicht bestätigen. Ich dementiere aber auch nicht. Lass uns reden. Natürlich weiß ich, dass auch andere an dir dran sind, darum möchte ich dir einen exklusiven Vorschlag machen!«
»Und der wäre?«
»Vertrau mir, ich mache dir ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst.«
»Don Beni, mein Pate, verschaffst du mir etwa eine Privataudienz beim Big Boss? Ich hätte da nämlich einiges vom Stapel zu lassen!«
»Tut mir leid, mein Sohn, aber für einzelne Mitglieder hat ER leider keine Zeit mehr.«
»Aha! Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ER gar nicht mehr in eurem Unternehmen ist und ihr nur noch ’ne leere Holding seid!«
»Aber mein guter Junge, was du sagst grenzt ja an Blasphemie! Aber gut, es sei dir nachgesehen, wenn – ja, wenn du dich hier und jetzt für uns entscheidest! Dein Unglaube sei dir dann verziehen und du erhältst trotzdem die immerwährende Seeligkeit. Und on top …«
»Und on top …?«
»Nun ja, für gewisse Vorlieben ließen sich spezielle Arrangements vereinbaren. In tabufreien Séparées, sozusagen ohne Limits! Du verstehst schon – hier oben haben wir natürlich auch ganz andere Möglichkeiten, absolute Diskretion zu gewährleisten!«
»Wie bitte? Ich höre wohl nicht recht! Wisst ihr was, ihr Seelenfänger, zur Hölle mit – «
Wieder knackt es in der Leitung.
»Okay, das habe ich verstanden. Sie sagten ‚Hölle‘! – Einen Moment, Ihr Ticket wird gedruckt!«
NEIIIIN!!!