Tag der verschlossenen Tür

Ist heute Welt-Türentag? Wieso? Deswegen –

Mann hat Rücken und Frau schickt ihn zum Physio. Beim Eintritt in die Praxis bemerke ich ein Grüppchen ratlos dreinblickender Gestalten, die vor dem Abort kauern. Was ist denn hier los? Grassierende Darmpest? Shit-in? Jochen, der Fitness-Coach, kniet vor der Klotür und macht sich, Augen in Klinkenhöhe, am Türspalt zu schaffen. Ist das jetzt Verdauungs-Peeping oder eine Dichtigkeitsprüfung mittels Nasenprobe?

Weit gefehlt! Klaus, ein Therapeut, sitzt auf Toilette fest. Natürlich ausgerechnet der, bei dem ich jetzt meinen Termin hätte! War ja klar! Schloss blockiert, Tür dicht – akuter Kloverschluss! Die Woche fängt ja gut an! Murphy lacht sich eins. So’n Sch…

Mit Fortdauer der Befreiungsaktion kippt die zunächst launige Stimmung – auf beiden Seiten der Tür. Zur Stimmungsaufhellung des Eingeschlossenen frage ich durch die Türe, ob er bestimmte Musikwünsche habe. Als passende Backgroundmusik schlage ich ein paar Songs vor, zum Beispiel Freddie Mercurys »I wanna break free« oder das Thema aus Hitchcocks »Psycho«. Macht sich in Filmdramen immer recht gut. Leonardos Untergang in Camerons »Titanic« wurde erst durch eine entsprechende orchestrale Untermalung zu dem unvergesslichen Leinwand-Event!

Irgendwie kommt mein Vorschlag aber nicht sonderlich gut an, jedenfalls mault Klaus von innen, dass ihm für witzige Sprüche momentan der Sinn fehle. Kein Humor mehr unter den Verschütteten! Dann halt nicht. Habe sowieso keine Zeit mehr, eine Ersatzkraft übernimmt meine Behandlung.

Ich liege kaum, da summt das Handy. Heike simst. Zu Hause wird gerade unsere neue Haustür eingebaut. Bei der Montage wurde die Klingel in Daueralarm versetzt. In ihrer Verzweiflung (oder doch aus genervter Dämlichkeit?) haben die Arbeiter letztlich den Klingeldraht durchgeflext – und andere Leitungen gleich mit. Jedenfalls sind alle Sicherungen durchgeknallt. Kurzschluss! Und die Monteure ohne Plan, was zu tun ist!

Erschwerend kommt hinzu, dass der Einzige, der sich mit elektrischen Leitungen auskennt, nur italienisch spricht. Zum Glück ist unser Haus-und-Hof-Elektriker auch Italiener und sogar sofort erreichbar. Per Telefon gibt er dem Kollegen technische Anweisungen, garniert mit heimatsprachlichen Flüchen (»Va fan culo …«), deren Wiedergabe ich mir hier spare –

Viertel vor zehn bin ich fertig. Ich verabschiede mich schnell noch von Klaus und spreche ihm mit den Worten Mut zu, dass man 1963 in Lengede noch nach 14 Tagen Verschüttete lebend geborgen hatte. So oder so, man sehe sich sicher wieder. Zwei Minuten später stehe ich vor meinem zugeparkten Wagen. Links blockiert ein ›Sprinter‹ die Fahrertür, rechts schmiegt sich Beton ans Chassis. Ich hatte extra ganz rechts eingeparkt, damit die links noch Platz haben. Das hat man von seiner Rücksichtnahme! Und um zehn habe ich den nächsten Termin beim Frisör! Fünf vor erscheint endlich der Sprinterfahrer. Meine Frage, ob’s denn noch gehen würde, so Scheiße zu parken, quittiert er mit ’nem lockeren Spruch: »Immer schön geschmeidig bleiben!«

Ich unterdrücke mein Verlangen nach einem jetzt eigentlich fälligen Tritt in seinen Familienschmuck und düse zum Frisör. Natürlich sind dort alle Parkplätze besetzt. Ich entscheide mich für einen spontanen Genderwechsel und quetsche mein Vehikel in einen slimsized Frauenparkplatz, dicht neben einen voluminös abgestellten Transporter. Auch ein Sprinter, war ja klar! Da beide Türen nicht zu öffnen sind, robbe ich durch die Heckklappe.

An der Eingangstür zum Laden hängt ein Schild: »Wegen Renovierungsarbeiten bitten wir, den Eingang auf der Rückseite zu benutzen!« – Na toll! Das Gebäude ist eine alte Fabrikhalle und der Hintereingang einen gefühlten Kilometer weit entfernt. Viertel nach 10 stehe ich endlich völlig verschwitzt und mit unverschuldet schlechtem Gewissen im Laden. Die Assistentin am Empfang quittiert meine Entschuldigung mit einem verlegenen Lächeln:

»Frankie ist vor ’ner halben Stunde schnell noch mal zur Toilette. Eigentlich sollte er längst wieder zurück sein.«

»Kann ich wenigstens ’n Kaffee haben?«

»Tut mir leid, aber irgendwie stimmt heute was mit dem Wasserdruck nicht, sorry.«

Ich finde, manchmal übertreibt es Murphy, aber so richtig! Ich hocke mich aufs Sofa. Aus dem Lautsprecher maulen die Boomtown Rats »I don’t like Mondays« – Na, wenigstens passt die Dramaturgie.