Vereinzelt Niederschläge
2012 im GEA – hier etwas aufpoliert:
An einem heißen Nachmittag im Sommer –
PENG! Die Tür ist zu! Blöd, dass ich draußen stehe und der Schlüssel drinnen auf dem Tisch liegt. Gerade habe ich unseren neunjährigen blonden Engel zum Freibad gefahren. Ihr ewiges Gequengel hatte irgendwann tierisch genervt: »Mannooo, mir ist scheißlangweilig und im Haus ist es total heiß – ich will nicht länger auf Mama warten!«. Kurz darauf bin ich zurück im Haus. Wie gewohnt lege ich den Schlüsselbund auf der Küchentheke ab. Ich muss nochmal zum Auto und eile hinaus. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie die Haustür hinter mir Fahrt aufnimmt und mit einem lautem Knall zuschlägt.
By the way – was wollte ich eigentlich hier draußen? Keine Ahnung, ist jetzt aber auch egal. Gott sei Dank steckt das iPhone in der Hosentasche! Ich rufe meinen persönlichen Rettungsdienst an. Es klingt nach Freisprecheinrichtung. Offenbar ist meine Frau unterwegs und bester Laune:
»Deutsche Telekom, wie kann ich helfen?«
»Wo bist du?«
»Erst mal ‚Hallo Liebling‘ – ich bin in Orschel-Hagen, im Auto!«
»Verdammt«, platze ich raus, »wenn man dich einmal braucht, bist du am anderen Ende der Welt! Typisch Frau! Sagen ‚Bin gleich wieder da‘ und dann wandern sie aus!«
»Geht’s bei dir noch?!«
»Ich hab‘ mich ausgesperrt!«
»Ach nee, ich dachte, sowas passiert nur Kindern und Frauen?«, hämt es aus dem Hörer.
Ich bocke ungädig zurück: »Falls du gerade witzig sein willst, lass dir sagen: Ironie kommt bei mir momentan ganz schlecht an!«
»Nimm doch den Schlüssel aus dem Geheimversteck!«
»So schlau war ich schon selber! Den hab ich vom letzten Mal noch nicht zurückgelegt!«
»Toll, wenn ‚Testosteron‘ mal was verbockt, dann aber gründlich – ich stecke jedenfalls hier im Stau! Vermutlich wegen so ’nem gestörten X-Chromosom am Steuer!«
»Dann beweis mal, dass ‚Östrogen‘ Auto fahren kann – gib Gas!«
Klick! Aha, empfindlich ist ‚Frau‘ also auch noch … Grummel!
Oooch neee, da kommt ein Riesengewitter! Moment mal, die Putzfrau kommt doch gleich – die hat einen Schlüssel, juhu! Ach neee, so’n Schiet – den hat sie ja der Studentin im unteren Apartment überlassen. Wir waren übers Wochende weg und die Untermieterin hatte sich bereit erklärt, unsere Katzenbrut betreuen. Ich hatte die Verbindungstür zu unseren Wohnungen zwar entriegelt, aber das Töchterchen hatte die Tür danach wieder sorgsam abgesperrt. Eigentlich sehr umsichtig von der Kleinen! Aber jetzt liegen jetzt die zwei Schlüssel in trauter Gemeinsamkeit auf der Anrichte – auf der anderen Seite der Türe.
Geistesblitz: die Dachfenster sind doch nur runtergekippt – wenn man da nur raufkäme? Klar doch, mit ’ner langen Leiter, die in der Garage! Mist, die Garage habe ich sicherheitshalber vor 15 Minuten zugemacht, bevor ich die Tochter zum Freibad gebracht hatte – so was von umsichtig! Was nun? Ha, Nachbars Leiter! Natürlich erwische ich den einzigen Tag, an dem alle ausgeflogen sind. Neue Idee: ich baue mir eine Räuberleiter: das Regenfass! Denkste, ist aus Massivholz, voll bis oben und schwer wie ’ne halbe Kuh – grmblfixjuchhee!
Kurzentschlossen bugsiere ich die Mülltonne in die Ecke von Haus und Garage. Wenigstens hat die Rollen. Aber wie komme ich da bloß rauf? Ich reiße ein paar Betonplatten aus dem Gehweg und schichtete sie vor der Tonne auf. Ein Streifenwagen patrouilliert im Schritttempo an mir vorbei. Ich stelle die Stapelarbeiten umgehend ein. Jetzt nur keinen schuldbewussten Blickkontakt! Konzentriert schaue fixiere ich einen Punkt am Boden, beuge mich vornüber und kratze am Moos der Plastersteine. Meine Freunde und Helfer beachten mich nicht weiter, ihre Aufmerksamkeit gilt offensichtlich Verkehrssündern. Sie runden die Wendeplatte und rollen wieder ab. Mithilfe der Betonplatten und des Fenstersimses besteige ich die Tonne. Mist, es fehlen 20 Zentimeter!
»Typisch Mann!« werden alle Frauen jetzt sagen, »wenn’s drauf ankommt, fehlen euch immer ein paar Zentimeter!«
Wer hat da jetzt gelacht? Ehrlich! Von wegen »me too«! Allesamt heuchlerische Sexistinnen – Yep, u too!
Nach mehreren Versuchen gebe ich auf – für diese Übung bin ich gefühlte 30 Jahre zu alt. Aber wenn ich das Auto vor die Garage fahren würde, dann könnte ich doch vom Wagendach aus … ? Klar, dann mach mal, ohne Schlüssel!
Inzwischen hat mich das Gewitter erreicht. Es schüttet wie aus Kübeln! Damit ich schneller abtrockne, bläst wenigstens ein erfrischender Sturm. Heiliger Petrus, geht’s noch schlimmer!? Ich hoffe, der da oben hat Spaß! Wie ich so vor mich hintropfe, fällt mir siedendheiß ein, dass im ersten Stock alle Fenster offen stehen! Die hatte ich wegen des Hitzestaus extra weit geöffnet. Ach du Schei… Schreck! In einem Anfall von Galgenhumor fällt mir ein alter Spruch ein: »Glücklich deutsches Land, wo fließend Wasser kommt von Wand!« Schlimmer kann’s wohl kaum noch werden? Denkste! In diesem Moment reißt eine Böe das Dachfenster vom Büro weit nach oben auf – heiliger Murphy, ich bin verdammt! Jetzt wird’s mal so richtig feucht! Wenn’s kommt, kommt’s dicke!
Heiß ersehnt erscheint 15 Minuten später die beste Autofahrerin von allen und schließt grußlos die Haustür auf. Nachdem wir in einträchtigem Schweigen zunächst Tochters Zimmer und dann das Büro aufgewischt haben, suchen wir vergeblich nach dem »Geheimschlüssel«.
»Ist der wirklich nicht längst wieder in seinem Versteck?«, hakt meine Aufseherin zweifelnd nach. Immer diese unbegründeten Misstrauen der Frauen gegenüber ihren Ehemännern – das kann ich ja mal überhaupt nicht ab!
»Dann hätte ich ihn doch wohl benutzt, oder? Tsss!« Was denkt die denn von mir?
Die umsichtige Gefährtin geht und kommt kurz darauf zurück – mit einem vernichtenden Blick, prall gefüllt mit Oberwasser. Um ihren Zeigefinger rotiert ein Schlüssel.
»Nee, das ist jetzt nicht wahr, oder?«, bringe ich nach kurzer Schockstarre tonlos heraus.
»Doch, isses!«, höhnt es zurück.
Es gibt eben Tage, da bist du einfach der Loser.