Die Bibel – das moderne Buch der Sprüche
Vor einiger Zeit wurde die (frohe) Botschaft verkündet, dass die Deutsche Bibelgesellschaft das Lutherwerk endlich entmieft und modernisiert hat. Eine moderne Bibel? An den heutigen Sprachgebrauch angepasst? Steht dann da nicht mehr „O HERR“, sondern „EY ALDA“?
Gut so, denke ich, wurde aber auch Zeit! Nicht nur wegen der Kids. Mich selber überkamen regelmäßig Anfälle von Blitzschlaf beim Lesen der Schwarte. Zum Teil ganz gute Stories, aber eben scheiße geschrieben. Weil jetzt anscheinend auch die Kirchenfürsten mitbekommen haben, dass das Pergament den Kampf gegen das Handy verloren hat, gibt es eine modernisierte Fassung inzwischen als Download.
Na, mal sehen, wie die Bibel-Holding den Stille-Post-Schinken aufgepeppt hat. Neugierig geworden installiere ich also die Bibel-App (koschd ja nix) und lese den angeblich aktualisierten Text der Genesis im Ersten Buch Mose, Kapitel 4, Vers 1 (1. Mose 4, 1):
„Und Adam erkannte seine Frau und sie ward schwanger.“
Modernisiert? Dem heutigen Zeitgeist angepasst? Also entweder hat mein Sprachempfinden ein Schleudertrauma, oder in der Deutschen Bibelgesellschaft gibt es tatsächlich Überlebende aus dem sechzehnten Jahrhundert! Seine Frau Eva schwängerte Gatte Adam also, indem er sie erkannte? Jetzt weiß ich doch endlich, was ein echter Frauen(er)kennter ist. Klingt auch unverfänglicher als BeGatter. Muss man sich dieses literarische Elend in der heutigen Zeit tatsächlich noch antun lassen? Da geben aufgeklärte Pädagogen unseren Kindern in der Schule bereits Rollup-Kurse in der korrekten Anwendung von Schniedelhüllen, während nebenan im Religionsunterricht die Kirche ihre frohe Botschaft in verklausulierenden Sprachruinen beheimatet. Man fasst es nicht! Bei soviel Verklemmtheit nimmt es da auch nicht Wunder, dass Vati im Papa … Papa im Vatikan weder Frau noch Nachwuchs hat.
Der Text ist auch sprachwissenschaftlich sehr aufschlußreich! Offenbart sich mir doch erst jetzt die tatsächliche Bedeutung der Inschrift „GNOTHI SEAUTON“ (Erkenne Dich selbst) am Eingang des Apollotempels zu Delphi. Gemeint ist mit der unschuldig klingenden Mahnung (kaum zu glauben, aber so steht’s geschrieben), der Tempelbesucher möge mit sich selbst Sex haben oder im Klartext, er solle sich verpi… ähm, verschwinden – genauso, wie unsere Kids sagen: F*** ju!
Danke, Deutsche Bibelgeselschaft, wieder etwas dazugelernt! Sollten demnächst wieder missionierende Heilsbringer unaufgefordert an meiner Türe klingeln, um mir ein Bibelgespräch aufzudrängen, dann kann ich sie nun mit einem breiten Grinsen und einem von Herzen kommenden „gnothi seauton“ von dannen schicken – Expertenwissen ist so geil!
Nebenbei bemerkt: Ich habe bei meiner Frau tatsächlich mehrmals hingucken müssen, bevor das mit dem Erkennen geklappt hat. Sicherheitshalber habe ich seither keinen Blick mehr riskiert …